Im Zuge einer Praxisabgabe kann ein Vertragsarzt auf seine Zulassung verzichten, um sich in einem MVZ, in einer BAG oder bei einem anderen Arzt anstellen zu lassen (§ 103 Abs. 4 a, b SGB V). Gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss das dann folgende Anstellungsverhältnis grundsätzlich auf eine Dauer von wenigstens drei Jahren ausgerichtet sein. Dabei kann die Arbeitszeit stufenweise von Vollzeittätigkeit im ersten Jahr auf Halbzeittätigkeit im dritten Jahr reduziert werden. Wird das Anstellungsverhältnis vor Ablauf der drei Jahre beendet, erlischt für gewöhnlich das Recht zu Nachbesetzung des Angestelltensitzes für den Arbeitgeber.
Bislang war klar, dass bei Unglücksfällen wie Tod oder Berufsunfähigkeit eine Nachbesetzung auch bei kürzerer Laufzeit des Anstellungsverhältnisses erfolgen kann. Nunmehr hat das Sozialgericht Berlin (Urteil vom 30.09.2020, AZ: S 87 KA 155/18) eine weitere Ausnahme zugelassen: Eine angestellte Ärztin, die zugunsten einer Anstellung im MVZ auf ihre Zulassung verzichtet hatte, kündigte bereits neun Monate nach Beginn des Anstellungsverhältnisses, da sie in einem anderen MVZ eine Vollzeitanstellung (nicht wie bisher halbzeitig) mit ihrer eigentlichen fachlichen Spezialisierung erhalten hatte. Das Gericht stellte fest, dass die Ärztin im Moment des Verzichts auf die Zulassung zum Zwecke der Anstellung beim MVZ die Absicht hatte, die Tätigkeit dort für mehr als drei Jahre auszuüben. Allerdings hätten dann „nachvollziehbare und wichtige Gründe der Berufsplanung“ der Ärztin Monate später zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses geführt. Das neue Angebot des anderen MVZs sei unerwartet gekommen. Die Möglichkeit zur Aufstockung der Tätigkeit auf eine volle Stelle und die Gelegenheit, künftig auf ihrem Spezialgebiet tätig zu sein, sollte der Ärztin nicht verwehrt sein.
Hinweis für die Praxis: Interessant ist hier der allgemeine Grundsatz, dass das Sozialgericht nicht auf die tatsächliche Dauer des Anstellungsverhältnisses abstellt, sondern auf die Absichten zur Zeit des Zulassungsverzichts. Wendet man diesen Ansatz konsequent an, würden viele Gründe denkbar sein, die im Nachhinein dazu führen können, dass das Anstellungsverhältnis zulässigerweise abgekürzt wird. Man wird dann vor Gericht jeweils klären müssen, ob dieses „nachvollziehbare und wichtige Gründe“ waren. Eine weitere Frage ist, ob dieser Ansatz auch für Gründe des Arbeitgebers zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses gilt. Dann könnten z. B. Schlechtleistungen des Arztes oder Zerwürfnisse mit dem angestellten Arzt zu einer Zulässigkeit der Kündigung vor Ablauf der drei Jahre führen.
Es wird abzuwarten bleiben, wie die höhere Instanzen mit diesen Fragen umgehen werden. Die hier aufgezeigten Möglichkeiten in eine strategische Planung bei der Praixsübernahme gegen Anstellung einzubeziehen, dürfte daher, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt, äußerst risikoreich sein.