Kaufvertrag über Patientenstamm kann unwirksam sein

Der Bundesgerichtshof BGH hat in seinem Beschluss vom 09.11.2021 einen Kaufvertrag über den „Patientenstamm“ einer Zahnarztpraxis wegen eines Verstoßes gegen das standesrechtliche Verbot entgeltlicher Zuweisung für nichtig erklärt.

Ein niedergelassener Zahnarzt schloss einen Vertrag mit einer Kollegin über den Erwerb des Patientenstamms ihrer privat- und vertragszahnärztlichen Praxis und die künftige Versorgung ihrer PatientInnen. Unter anderem wurde die Umleitung der Anrufe auf dem Telefonanschluss und der Aufrufe der Internetseite der Zahnärztin auf den Anschluss und die Domain des Käufers vereinbart. Die Patientenkartei und sämtliche Krankenunterlagen sollten in das Eigentum und den Besitz des Käufers übergehen, soweit Einwilligungserklärungen vorlägen. Unabhängig davon sollte der Käufer sowohl die manuell geführte Patientenkartei (in einem verschlossenen Aktenschrank) als auch die elektronische Patientenkartei (geschützt durch ein ihm zur Verfügung stehendes Passwort) für die Abgeberin in Verwahrung nehmen. Im Übrigen verpflichtete sich die abgebende Zahnärztin, ihre PatientInnen in einem informativen Rundschreiben die Fortsetzung der Behandlungen durch den Kläger zu empfehlen.

Später berief sie sich auf die Unwirksamkeit dieses Vertrages, woraufhin der Käufer auf Vertragserfüllung klagte.  Die Klage hatte keinen Erfolg. Der BGH bestätigte die Nichtigkeit des Kaufvertrags.

Der „Verkauf eines Patientenstamms“ sei – anders als der Verkauf einer Arztpraxis im Ganzen – rechtlich nicht möglich. Die Berufsordnung untersage es, für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Auch der hier zugrundeliegende Kaufvertrag mit der von den Parteien vereinbarten Um- und Weiterleitungen sowie das Empfehlungsanschreiben stelle eine solche „Zuweisung“ oder „Zuführung“ von Patienten gegen Entgelt dar.

Hierunter sei jede Einwirkung auf PatientInnen mit der Absicht zu verstehen, deren Wahl unter Ärztinnen und Ärzten oder anderen Leistungserbringern zu beeinflussen. Entscheidend sei dabei nicht die Handlungsmodalität, also wie auf die Patientin oder den Patienten eingewirkt wird, sondern mit welcher Intention dies geschehe.

Hinweis für die Praxis: Bei einer Praxisübernahme sollte sorgfältig darauf geachtet werden, dass tatsächlich eine Praxis übernommen wird und nicht etwa nur der Patientenstamm oder –was auch manchmal vorkommt- nur der Vertragsarztsitz. Gerade dann, wenn kein Interesse des Praxiskäufers an dem bisherigen Praxisinventar oder den Praxisräumen besteht, ist hier die aufmerksame Vertragsgestaltung gefragt.